Nachhaltige Medien 2021 (Digital)
Aktualisiert: 10. Dez. 2021
Vom 02.-05. November 2021 nahmen 27 Teilnehmende zwischen 16-25 Jahren am ersten digitalen Workcamp zum Berufsfeld „Nachhaltige Medien“ statt. Live aus dem S-Hub Mannheim beschäftigten sich die Teilnehmenden mit unterschiedlichen Bereichen der Medienproduktion, von Print-Medien bis Filmproduktion. Die zentrale Frage der Woche war wie bei allen Grünblick Workcamps, wie nachhaltig Berufe im Berufsfeld Medien sind und inwiefern sie sich aufgrund der aktuellen globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel verändern müssen, um einen Beitrag zu einer nachhaltigen und grünen Umwelt leisten zu können.
Eine Branche im Wandel
Ähnlich wie viele andere Branchen befindet sich die Medienbranche in einem aufregendem Transformationsprozess hin zu mehr Nachhaltigkeit. Dementsprechend sind einzelne Ausbildungsberufe noch im Entstehen, Zusatzqualifikationen wie z.B. der Green consultance für Filmproduktionen ist überhaupt erst seit Januar 2021 als Zusatzqualifikation zu erwerben. Die zwei größten Herausforderungen der Medienbranche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit sind vor allem im hohen Stromverbrauch und der Logistik auszumachen.
Der Blaue Engel- Das Umweltzeichen
Zu Beginn der Woche stellte Frau Braumann den Blauen Engel vor. Das weltweit erste Umweltzeichen, welches 1979 vom Bundesinnenminister Werner Maihofer (FDP) eingeführt wurde, verfolgt das Ziel, zu einer gesunden Umwelt beizutragen, in der der Menschen so weit wie möglich vor schädlichen Umwelteinwirkungen, wie Schadstoffen in Luft oder Wasser, geschützt leben kann.
Heutzutage untersteht der Blaue Engel dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, welches offizieller Zeicheninhaber ist. Die Entwicklung der Kriterien für die Vergabe des Blauen Engels sowie das Ausarbeiten der Vergabegrundlagen übernimmt das Umweltbundesamt. Den konkreten Vergabeprozess übernimmt die gemeinnützige „RAL gGmbH“.
Auch wenn die meisten den Blauen Engel vor allem mit dem Zertifizieren von nachhaltigen Druckerzeugnissen assoziieren, so zertifiziert der Blaue Engel ähnlich wie andere Siegel und Zeichen, beispielsweise Fairtrade, FSC, EU Ecolabel oder Bio, auch Textilien, Elektrogeräte, Bauprodukte und Wasch- und Reinigungsmittel. So deckt er im Gegensatz zu anderen Siegeln und Zeichen, die meist nur ein Produktsegment zertifizieren, eine große Bandbreite an Produkten ab. Interessanterweise ergaben Studien, dass die meisten Siegel und Zeichen nur bei rund 35% der Verbraucher:innen einen Einfluss auf die Kaufentscheidung hat.
Bei den Vergabekriterien achtet der Blaue Engel unter anderem auf eine ressourcenschonende Herstellung, nachhaltige Produktion von Rohstoffen, Vermeidung von Schadstoffen im Produkt, Reduktion von Lärm und elektromagnetischer Strahlung, Langlebigkeit und die Einhaltung von internationalen Arbeitsschutzstandards.
Mit dem Fokus auf die Medienbranche und der nachhaltigen Papierproduktion zeigt sich vor allem im Einsatz von Altpapier ein signifikanter Vorteil, so können Papierfasern deutlich öfter im Kreislauf gefahren werden. Zudem leistet Papierrecycling einen wichtigen Beitrag zum Ressourcen- und Klimaschutz, da somit weltweit Wälder geschützt werden und die Biodiversität und Artenvielfalt erhalten bleibt. In konkreten Zahlen lässt sich feststellen, dass durch Altpapier die Abwasserbelastung um 80%, der Wasserverbrauch um 70% und der Energieverbrauch um 60% senken lässt.
Als provokante These und Abschluss der Präsentation erwähnte Frau Braumann, dass keine Ökobilanz bekannt ist, die digitale Veröffentlichungen gegenüber Printveröffentlichungen klar im Vorteil sehen. So seien, auch wenn der digitale Trend nicht mehr aufzuhalten ist, Printmedien nicht immer automatisch umweltschädlicher als digitale Medien.
Katapult – Ein Magazin trotzt dem Trend
Ein konkretes Beispiel für ein nachhaltig produziertes Printprodukt, das sich dem Digitalisierungstrend entgegenstellt, ist der Greifswälder Katapult-Verlag. Mit insgesamt 47 Ausgaben und fast 83.000 Abonnent:innen zählt das Katapult-Magazin vermutlich zu den am schnellsten wachsenden Magazinen der letzten Jahre. Während dem Vortrag ging es nicht nur um eine nachhaltige Produktion des Magazins, sondern auch um eine inhaltliche Nachhaltigkeit, sprich wie kann nachhaltiger Journalismus aussehen?
Um die Produktion nachhaltiger zu gestalten, pflanzt der Verlag aktuell Bäume, in Kürze sollen noch eine Umweltbilanz erstellt werden, Ökofarben benutzt und der Plastikverbrauch reduziert werden. Auf inhaltlicher Ebene greift das Magazin vor allem Nachhaltigkeitsthemen auf, die mithilfe von visuell aufbereiteten Infografiken komplexe ökologische Zusammenhänge aufbrechen sollen. So steht der kleine rote Punkt auf der sonst leeren weißen Weltkarte plakativ für die „nur“ 300 x 300 km benötigten Fläche, um die ganze Erde mit Solarstrom zu versorgen.
Nachhaltigkeit im Bayerischen Rundfunk
Als nächstes stellte der Auszubildungsleitende vom Bayerischen Rundfunk (BR), Clemens Finzer, den BR als Arbeitgeber in Sachen Nachhaltigkeit vor. Der BR, die viertgrößte ARD-Anstalt nach WDR, SWR und NDR) verfügt über ca. 1 Milliarde € an Beitragsgeldern. Mit diesen Geldern produziert der BR eigene Hörfunk-Programme und 2 eigene TV-Vollprogramme, zudem liefert der BR Produktionen an das ARD, Tagesschaut24, ONE, Kika, Phoenix, 3sat und Arte. Der Vortrag konzentrierte sich auf die Bereiche Nachhaltigkeit im Programm, der Mitarbeitenden und Maßnahmen.
In Sachen Nachhaltigkeit im Programm fokussiert sich der BR aktuell auf Berichte über Nachhaltigkeitsthemen, so produziert er Sendungen, in den aufgezeigt wird, wie nachhaltige Strukturen in unterschiedlichen Lebensbereichen etabliert werden können oder stößt Experimente an. Zusätzlich schult der BR seine Mitarbeitenden zum Thema Nachhaltigkeit und ermutigt diese, bestehendes und neu erlerntes Fachwissen einzubringen und somit Expertise aufzubauen. Darüber hinaus versucht der BR konkrete Maßnahmen zu ergreifen, so setzen die Intendant:innen den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und versuchen Mitarbeitenden verstärkt einzubinden. Auch ist der BR Teil des ARD-Nachhaltigkeitsboards, etabliert ein Nachhaltigkeitsmanagement und setzt auf Mülltrennung und CO²-freie Produktion.
Wie viele große Unternehmen mit komplexen Strukturen, scheinen auch die Bemühungen des BR für mehr Nachhaltigkeit nur schleppend voranzugehen.
Social Media- @der.vegane.van
Für den Themenbereich Social Media schaltete sich Live aus Mallorca Lorena Palombo ein, eine Influencerin, die mit ihrem „veganen“ Van durch Europa fährt. Sie finanziert sich neben ihrer Tätigkeit als Influencerin, mit der sie Geld mit Produktplatzierungen verdient, mit ihrem eigenen veganen Kochbuch und digitalen Live-Kochabenteuern, die Kund:innen buchen können.
Instagram und weitere soziale Plattformen sieht sie als Werkzeug, um Nachhaltigkeitsthemen zu verbreiten und somit einen Beitrag zu einer nachhaltigen und grünen Welt zu leisten. So steht sie der Influencer Szene und sozialen Medien aber auch kritisch gegenüber, da dort Nachhaltigkeit oft als Wert zugeschrieben wurde. So stehen auch Werbepartnerpartnerschaften stark in der Kritik, da Influencer:innen dadurch ihren Follower:innen in der Tat zum Teil nachhaltige Produkte empfehlen, aber letztendlich immer noch zum Konsumieren animieren wollen. Abschließend wurden die Teilnehmenden mit der Frage konfrontiert, welche Leidenschaft ihnen in den Sinn kommt und für was sie wirklich brennen.
Conny – Nachhaltige Musikproduktion
Am zweiten Input Tag schaltete sich live aus Köln der feministische Rapper „Conny“ ein, der vor Kurzem sein nachhaltig produziertes Album „Manic Pixi Dreabmoy“ veröffentlichte. In seinem spannenden Vortrag beleuchtete er die Aspekte Kunst & soziale Verantwortung sowie Nachhaltigkeits-Strategien für ein Album-Release. Als Beispiel wieso Künstler:innen soziale Verantwortung haben und übernehmen müssen, verglich er die Anzahl an Instagram Follower:innen der Tagesschau mit den von Lena Meyer-Landrut. Dabei fällt auf, dass etliche Influencer:innen deutlich mehr Reichweite haben als öffentlich-rechte Rundfunkanstalten und somit viel Macht haben. Gleichzeitig sollen laut Conny die Zuhörer:innen daraus den Anspruch ableiten, getreu dem Motto „Hold your favourite artists accountable“, ihre Künstler:innen auf diese soziale Verantwortung hinzuweisen und einfordern.
Als Einführung in das Thema nachhaltiges Album-Release, nannte Conny zunächst grundlegende Aspekte, die beim Produzieren eines Albums wichtig sind, Musik, Musikvideo, Social Media, Merchandising, Konzerte und das Team. Für jeden Aspekt gibt es verschiedene Maßnahmen, um nachhaltiger zu agieren. Als erste konkrete Maßnahme, die ergriffen werden könne um die Musik nachhaltiger zu produzieren, nannte Conny die Arbeit im Studio. Dabei geht es um Fragen, ob die Anreise zum Studio mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Fahrgemeinschaften möglich ist und ob das Studio beispielsweise mit Ökostrom betrieben wird. Auch könne sich die Frage gestellt werden, ob das Album nur auf Streaming Plattformen wie Spotify und Co. erhältlich ist, oder ob es nachhaltig produzierte physische Tonträger als Alternative zum Öko-Albtraum Vinyl gibt. Auch bei der Auflage gibt es Möglichkeiten, vorab die Nachfrage zu erfragen, um eine Überproduktion zu vermeiden.
Bezüglich der Musikvideos gibt es laut Conny verschiedene nachhaltige Alternativen. Beispielsweise 2nd-hand Kleidung, Requisiten über Flohmärkte, eBay Kleinanzeigen zu kaufen, vegetarischen/veganes Catering und das Zahlen eines Co²-Ausgleichs. Ein nachhaltiges Musikvideo ist laut Conny nicht zwangsläufig teurer, sicher jedoch aufwendiger als herkömmliche Musikvideos.
Ein weiterer Aspekt ist die Gestaltung und Organisation der Konzerte, bei den die Locations so gewählt werden, dass die Künstler:innen, das Team und die Fans öffentlich anreisen können. Auch bei Konzerten kann vegetarischen/veganes Catering bestellt werden.
Doch nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle, sondern auch die soziale Nachhaltigkeit. Das spiegelt sich in der Diversität und dem Geschlechterverhältnis des Teams wieder. Wer sitzt also in Führungspositionen und wer wird wie bezahlt. Auch dieser Aspekt kann ich einem Album-Release beachtet werden und trägt zu mehr Nachhaltigkeit bei.
Nachhaltige Fotografie
Im darauffolgenden Vortrag war Simon Veith zu Gast, ein Fotograph aus Köln, der sein Konzept für nachhaltige Fotografie vorstellte. Dabei ihm vor allem drei Aspekte wichtig, grüne Kund:innen, die einen positiven Impact auf die Gesellschaft haben, eine nachhaltige Arbeitsweise (klimapositiv werden) und eine nachhaltige Bildsprache in Form einer langfristigen und nachhaltigen Zusammenarbeit mit seinen Kund:innen und Partner:innen. Seit 2016 macht er sich auf den Weg seinen Job nachhaltig zu gestalten und hat folgende Konzept herausgearbeitet, mit dem er einen Beitrag zu einer grünen und nachhaltigen Welt schafft. Sein Konzept beinhaltet Bäume zu pflanzen, den Transport von Equipment mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu organisieren, ein grünes Büro mit Ökostrom zu betrieben, grüne IT und Web-Anbieter zu nutzen, nachhaltig mit seinem Equipment umzugehen und auf faires Banking zurückzugreifen. Klimaschädliche, unvermeidbare Aktionen werden kompensiert.
Green Film Shooting & Green consulting
Den letzten großen Input-Block drehte sich um das Thema nachhaltige Film- und TV-Produktion. Hierfür stellte Frau Heidsiek die Initiative „Green Film Shooting“ vor. Danach gab Tobias Wolf, green consultant bei der Bavaria Fiction, Einblicke in seinen erst vor kurzen offiziell gewordenen Beruf des „green consultant“. Die großen Baustellen der Film- und TV-Produktionen sind der immense Strombedarf und der Transport von Crew und Equipment. Zu Zeiten als Arnold Schwarzenegger Gouverneur von Kalifornien war, ließ er durch eine Studie ermitteln, wie viel die Film- und TV-Produktionen vom gesamten CO²-Verbraucht beitrugen. Herauskam, dass nur die Ölbranche mehr CO² produzierte. Als Antwort auf den hohen CO²-Verbrauch gibt es seit kurzem sogenannte „green consultants“, eine feste Stelle, die Produktionen nachhaltiger gestalten soll. Nach und nach soll so der massive ökologische Fußabdruck durch eine Umstellung auf eine ressourcenschonende, innovative Produktionsweiße um ein Vielfaches verringert werden. Dabei sollen alle Bereiche des Herstellungsprozesses von der Produktionsvorbereitung bis zur Postproduktion und Distribution beachtet werden.
Wandercoaching zur Berufsorientierung
Auch das Wandercoaching wurde diesmal nicht gemeinsam in der Natur durchgeführt, sondern online. Die Teilnehmenden wurden von zwei professionellen Wandercoaches, teilweise in der Gesamtgruppe teilweise in Kleingruppen, angeleitet. Für die Coachingeinheiten, die normalerweise in der Natur stattfinden, sind die Teilnehmenden alleine rausgegangen und haben währenddessen mit anderen Teilnehmenden telefoniert und sich über ihre Berufswünsche und ihre individuellen Talente in Peer-to-Peer- Coachings auszutauschen. Trotz der digitalen Umsetzung war das Coaching für die Teilnehmenden eine gute Möglichkeit sich, unabhängig von alltäglichen Herausforderungen z.B. Erwartungen des sozialen Umfelds, mit ihrem Berufsweg auseinanderzusetzen.
